Auswanderer!  
Freienohler Flüchtlinge?
Raus aus Freienohl im 19. Jahrhundert

Erstes Kapitel: Zuerst die Daten, Fakten, Politik.
Eine sehr nüchterne Textfassung. Eine Daten-Auflistung aus dem Freienohler Archiv im Stadtarchiv Meschede in Grevenstein.
Zweites Kapitel: Dann Interpretationen, Argumentationen.

Leser-Eindrücke: Zuerst:1, 2 Seiten: langweilig! Dann: eigentlich immer spannender.

Erstes Kapitel

Auswanderer: 1833 - 1911
aus dem alten Amt Freienohl, also nicht nur aus der Gemeinde Freienohl

Zuerst eine Bemerkung des Amtmanns von Devivere in Freienohl in seinen ihm aufgetragenen zweimonatlichen „Zeitungs-Berichten“ an den Landrat in Arnsberg. Hier am 24. März 1852 für Februar und März 1852 zur jeweils letzten Rubrik: Verwaltungs-Organisation: … Im Laufe dieser Berichts-Periode haben mehrere Eingesessene dieses Bezirks Pässe zur Reise nach Amerika nachgesucht und zeigte sich im Allgemeinen eine große Auswanderungslust.“

Vorbemerkungen
Stadtarchiv Meschede: Archiv Freienohl: Akten 95, 96, 99, 102. - A = Akte.
Übernommen wurden alle zur Auswanderer-Person aktenkundigen Daten; manchmal sind erwünschte Daten nicht aktenkundig (die können ergänzt werden aus den üblichen Geburtsregistern, Heiratsregistern, Einwohnerlisten). Die zahlreichen Behördenschreiben sind hier nicht übernommen. Die Akten-Reihenfolge von Tag zu Tag, von Jahr zu Jahr  wurde eingehalten. Eine formulierte Motivation zur Auswanderung, zur Aufgabe der Preußischen Staatszugehörigkeit ist – leider – nicht aktenkundig. Interpretieren lässt sich eine Motivation aus der individuellen Zusammenfassung der „Zeitungs-Berichte“. -
A 95: General-Akte: ohne Auswanderer-Personen, nur allgemeine Behörden-Schreiben von Berlin, Münster, Arnsberg und Freienohl; z.B. über Voraussetzungen zur Auswanderungs-Genehmigung: allgemeines bürgerliches Verhalten, Militär-Dienst-Verpflichtungen (eventuell deren Vermeidung, deren Gründe sind nicht aktenkundig), Erbschafts-Angelegenheiten und deren Regelungen, Erlaubnis der Eltern (manchmal aktenkundig bis zum 28. (!) Lebensjahr); mit 27 Jahren endet nach Königlich. Preußischen Recht die allgemeine Wehrpflicht.
Das Löschen der Nicht-Freienohler aus dieser Textfassung wird wohl dem umfassenderen Thema nicht gerecht. Und ältere und alte Freienohler kennen die Namen aus den Nachbarorten.
Zum schnellen Finden sind hier unterstrichen: Freienohl und Lattenberg.

A 96: Spezialakte ab 1833, also Auswanderer-Personen, die sind freilich erst ab 1836 aktenkundig:

Jahr 1836: nach Amerika, aus Grevenstein: Anton Schulte.
Jahr 1836: nach Amerika: aus Grevenstein: Franz Anton Behme
Jahr 1836: nach Amerika: aus Grevenstein: Anton Cramer.
Jahr 1836: nach Amerika: aus Grevenstein: Friedrich Anton Behme.
Jahr 1836: nach Amerika: aus Breitenbruch: Theodor Höcker.
Jahr 1836: nach Amerika: aus Westenfeld: Franz Schulte gnt. Merkensmann.
Jahr 1836: nach Amerika: aus Grevenstein: Johann Bigger.
Jahr 1836: nach Amerika: aus Altenhellefeld: Johann Schaefer.
Jahr 1836: nach Amerika: aus Altenhellefeld: Jodokus Schaefer. (Ob Brüder ist nicht aktenkundig)
Jahr 1837: nach Amerika: aus Hellefeld: Schuhmachergeselle Johann Winter.
Jahr 1837: nach Amerika: aus Grevenstein: Moritz Roggemann.
Jahr 1844: nach Amerika: aus Sundern: Franz Cramer.
Jahr 1844: nach Amerika: aus Sundern: Sägemüller Anton Cramer.
Jahr 1844: nach Amerika: aus Sundern: Johann Franz Blome.
Jahr 1845: nach Amerika: Obersalwei / Amt Eslohe: Schneidermeisterr Anton Hecking, geb. 1819.
Jahr 1845: nach Amerika: aus Grevenstein: Tagelöhner Ferdinand Schule mit Ehefrau Maria  Margaretha geb. Böggemann mit ihren Kindern: Franz Anton, geb. 14.7.1841, und Theresia, geb. 28.2.1844. (Mit 2 Kleinkindern! Segelschiff: 3-Master oder 5-Master!)

Jahr 1845: nach Amerika: aus Freienohl: Schuster Lorenz Plugge mit Ehefrau und 2 Kindern. Einwohnerliste 4.12.1846, A 2170: Alte Haus-Nr. 87 b (b: Mieter; a: Ferdinand Schnapp), Bergstr. 17: Lorenz Plugge, Schuster, Schwiegersohn von Ferdinand Schnapp, LA 30, Ehefrau Catharina geb. Schnapp, LA 30, Sohn August, LA 4; Lehrling Carl Becker, LA 15. Kein Eintrag in der Einwohnerliste von 1840. Kein Eintrag im Trauungsregister, im Sterberegister.

Jahr 1845: nach Amerika, aus Grevenstein: Geschwister Kaspar Erlmann gnt. Knulle, geb. 1813; Maria Theresia Erlmann, geb. 1815.
Jahr 1845: nach Amerika, aus Linneper-Hütten: Franz Anton Schmitz.
Jahr 1846: nach Amerika: aus Grevenstein, Metzger Bernhard Jaspert mit Ehefrau (Name nicht aktenkundig) und mit 3 Kindern: Elisabeth LA 16, Gertrud LA 14, Franz Joseph LA 5.
Jahr 1848: nach Amerika, aus Oeventrop: Johann Lorenz Schulte, geb. 1800.
Jahr 1848: nach Amerika, aus Grevenstein: Anton Bath.
Jahr 1848: nach Amerika, aus Grevenstein: Familie Anton Behme, Ehefrau Elisabeth geb. Hoffmann; mit ihren 5 Kindern: Franz, geb. 1831; Anna Maria Christina, geb. 1834; Franz Anton, geb. 1837; Kaspar Anton, geb. 1844; Anna Maria Franziska, geb. 1847. Es könnte sein, dass zwischen 1837 – 1844 ein inzwischen verstorbenes Kind geboren worden ist.
Jahr 1849: nach Amerika, aus Hellefeld: Johann Hermann Funke, geb. 1815.
Jahr 1849: nach Amerika, aus Grevenstein:  ...(?) Körper (Kröper?) mit Ehefrau (Name nicht aktenkundig) Mit ihren Kindern (ohne LA): Robert, Ottilia, Augusta.
Jahr 1850: nach Amerika, aus Rumbeck: Geschwister Peter Sprecksel und Gertrud Sprecksel.

Jahr 1851: nach Amerika, aus Freienohl: Anton Schwarze. - In der Einwohnerliste Dezember 1849, A 2172, ist kein Anton Schwarze aktenkundig, nur die Familie Franz Schwarze mit Ehefrau Dina geb. Barnowsky und 3 Kinder und Witwe / Mutter von Franz Schwarze; Alte Haus-Nr. 103. - Oder: Trauungsregister: Heirat am 21.11.1847 dim, in Hirschberg (zur Trauung kirchenrechtlich geschickt in die Pfarrei Hirschberg) Franz Schwarze mit Beatrix Reineken aus Hirschberg.

Jahr 1852: nach Amerika, aus Altenhellefeld: Sattler Anton Liedhegener.
Jahr 1852: nach Amerika, aus Meinkenbracht: Anton Wiethoff.
Jahr 1852: nach Amerika, aus Meinkenbracht: 2 Ackerknechte: Franz Pets, geb. 1832; Johann Pets, geb. 1831. Sie sind nicht als Brüder aktenkundig.
Jahr 1852: nach Amerika, aus Meinkenbracht: Ackersmann Franz Hohang gnt. Pott, geb. 1794 und Ehefrau (kein Name aktenkundig) und 5 Kinder (keine Namen aktenkundig), der älteste Sohn ist seit 1847 im Militär-Verhältnis.
Jahr 1852: nach Amerika, aus Meinkenbracht: Ackersmann Kaspar Schelle, geb. 1810, mit Ehefrau und 5 Kinder (keine Namen aktenkundig).
Jahr 1852: nach Amerika, aus Grevenstein: Ackersknecht Ferdinand Wengeler, geb. 1837, Eltern sind einverstanden.
Jahr 1852: nach Amerika, aus Grevenstein: Tagelöhner Ferdinand Hüttemann, geb. 1819 in Oberberge, mit Ehefrau Maria Katharina geb. Bielefeld; Vater Witwer Hüttemann aus Berge ist einverstanden.
Jahr 1852: nach Amerika, aus Grevenstein: Ackersmann Heinrich Christoph Conrad Wiegenstein, geb. 1825.
Jahr 1825: nach Amerika, am 21.5.1852, aus Hellefeld: Klemens Veltins mit seiner Ehefrau Theresia geb. Hoffmann aus Meinkenbracht und Magd (kein Name aktenkundig). Am 9.11.1852 zurückgekehrt (ob schon aus Amerika ist nicht aktenkundig) schreibt Amtmann Devivere an Landrat von Lilien in Arnsberg: „Derselbe ist bekanntlich ein gefährlicher Demokrat.“ - Anmerkung: 1848: „Das Kommunistische Manifest“ von Karl Marx und Friedrich Engels. Märzrevolution in Deutschland.

Jahr 1852: nach Amerika: vom Lattenberg (Oeventrop): Tagelöhner Kaspar Krick, geb. in Freienohl, LA 54 (1798), mit Ehefrau und Tochter (Namen nicht aktenkundig), ausgenommen der älteste Sohn: Tagelöhner Joseph Krick, der erhält nach seiner Militär-Dienstzeit die offizielle Genehmigung, am 9.4.1853.

Jahr 1853, 11. Mai: nach Amerika: aus Freienohl Witwer Franz Vogt (korrekt abgeschrieben).
In der Einwohnerliste Dezember 1840: Alte Haus-Nr. 57: Parzelle 788, Ecke Hauptstraße – Am Hügel. Heinrich Vogt gnt. Knicklenberg, Ackerbau, LA 52; Ehefrau Christine Vogt geb. Knickenberg, LA 49; Sohn Franz Vogt, LA 22; Tochter Maria Anna Vogt, LA 20; Tochter Lisette Vogt, LA 18; Sohn Joseph Vogt, LA 16; Sohn Kaspar Vogt, LA 14; Tochter Caroline Vogt, LA 12; Sohn Johannes Vogt, LA 10; Sohn Friedrich Vogt, LA 9. - Z 10. -
In der Einwohnerliste Dezember 1849, Freienohl: Alte Haus-Nr. 57, (Ecke Hauptstraße / Hügel): Witwe Christina Vogt geb. Knickenberg, LA 59 (1849!), Sohn Franz Vogt gnt. Jägers, LA 30 (1849!). - Zu ihr: Sterberegister: gest. 14.12.1844 Tagelöhner Heinrich Vogt, LA 60, hinterlässt Ehefrau Maria Anna (Christina nicht genannt) geb. Knickenberg und 5 minderjähr. Kinder. Ebenso: gest. 21.9.1844 Ackerbürger Heinrich Vogt, LA 55, hinterlässt Ehefrau Klara (Christina nicht genannt)  geb. Knickenberg, hinterlässt großjähr. und 3 minderjähr. Kinder.

Jahr 1855: nach Amerika, aus Freieohl: Fritz Pöttgen, LA 18 ½ (geb. 1836) erhält keine offizielle Genehmigung, erst Militär-Dienst leisten. - A 2172, Dez. 1849: Einwohnerliste: Alte Haus-Nr. 19 a, Parzelle 909, Bergstraße 15: Ackersmann Franz Georg Pöttgen gnt. Riedesel, Ehefrau Gertruf geb. Schemme und 6 Kinder = Söhne, ältester Sohn Fritz.

Jahr 1855: nach Amerika, aus Meinkenbracht: Dienstmagd Christina Hoffmann, geb. 1829 (LA 26). Anna Katharina Hoffmann, Tochter des Johann Hoffmann und der Christina Hoffmann geb. Kanther, geb. 1822 (LA 33).

Jahr 1855: nach Amerika, aus Freienohl: Kaspar Trumpetter; nur dieses ist aktenkundig seitens des Amtmanns: er bekommt erst seinen Pass, wenn er seine Schulden 5 RT 28 Sgr 3 ct an Friedrich Schwefer zu Freienohl bezahlt hat; das hat er am 27.7.1855 geleistet. Gemeint sein könnte: Einwohnerliste Dez. 1849, A 2172: Alte Haus-Nr. 69 b, Alte Wiese 1: Holzschneider Kaspar Trumpetter LA 1849: 49), Ehefrau Gertrud geb. Kaulmann; Sohn Franz, Schuster.

Jahr 1856: nach Amerika, aus Freienohl: Färbergehilfe Johann Kaspar Humpert, er muss erst seinen Militär-Dienst leisten. -  Gemeint sein könnte: Einwohnerliste Dez. 1849, A 2172: Alte Haus-Nr. 127: Sohn Johann Humpert (1849: LA 13) des Schenkwirt, Krämer, Bäcker Kaspar Humpert und Ehefrau Marianne geb. Kost.

Jahr 1856: nach Amerika, aus Meinkenbracht: Landwirt Franz Petz gnt. Pieper.
Jahr 1856: nach Amerika, aus Schnellenhaus: Sägemüller Kaspar Schröder.

Jahr 1857: nach Amerika, aus Freienohl: Schneidergeselle Kaspar Albers, geb. 1832, LA 25. Gemeint ist: Einwohnerliste Dez. 1849, A 2172: Alte Haus-Nr. 48, Krumme Str. 16: Schneidergeselle Kaspar, 1849 = LA 17, 2. Sohn des Schneiders Heinrich Albers und Ehefrau Agatha geb. Knickenberg.

Jahr 1857: nach Amerika, aus Hellefeld: Franz Anton Fuest von Fuesthofe.
Jahr 1857: nach Amerika, aus Hellefeld: Johann Karl Zöllner.

Jahr 1860: nach Amerika, aus Lattenberg (Oeventrop): die Witwe des verstorbenen Hermann Bräutigam, geb. 18.12.1829; und Kinder Wilhelm, geb. 2.1.1854; Maria, geb. 10.7.1858; sie will ziehen zu ihrem Vater Caspar Krick in Blumfield, Michigan, Nordamerika; s.o. Jahr 1852.

Jahr 1863: nach Amerika,aus Altenhellefeld: Schmied Franz Anton Vollmer gnt. Roberts, geb. 1832, LA 31; sein Vater ist verstorben, seine Mutter ist einverstanden; Militär-Dienst ist geleistet 1854-1857 als Landwehr-Infanterist.

Jahr 1864: nach Amerika, aus Freienohl: Franz Kaspar Kehsler, geb. 1830 in Freienohl, Wohnort Endorf, Eltern sind vor Jahren gestorben, unverheiratet. - Die Eltern: Einwohnerliste Dez. 1849, A 2172: Alte Haus-Nr. 21, Bergstr. 18: Tagelöhner Kaspar Kehsler gnt. Neuhäuser, 1849 = LA 59; Ehefrau Theresia geb. Becker, 1849 = LA 59. Sterberegister: gest. 28.3.1851 Theresia Kehsler geb. Becker; gest. 20.5.1851 Witwer Kaspar Kehsler.

Jahr 1864: nach Amerika, aus Rumbeck: Rudolf Joseph Wilhelm Georg August Wunsch, geb. 10.10.1839 in Wennemen.
Jahr 1869: nach Amerika, aus Wildshausen: Carl Bitte(r).

Jahr 1872: nach Amerika, aus Freienohl: Schreiner Heinrich Höhmann, geb. 1812, ledig. - Einwohnerliste Dez. 1849, A 2172: Alte Haus-Nr. 66: Schüsseldreher Heinrich Höhmann, Stiefsohn von Gaudenz Kerstholt gnt. Winkelmann.

Jahr 1874: nach Amerika, aus Meinkenbracht: Franz Anton Schulte, geb. 29.10.1851; seine Eltern sind verstorben.

Einschub
Arnsberg, am 9. Juli 1875
Der Regierungs-Präsident zu Arnsberg: Heinmann; Nr. Pr. 1101
schreibt an den Amtmann Ley zu Freienohl:
„Sicherem Vernehmen nach hat die Brasilianische Regierung mittels eines vom 20. März d.J. datierten Dekrets eine mit dem Pflanzer Joao Elisario Caroalho de Montenegro im Jahre 1872 abgeschlossenen Kontrakt erneuert, Inhalts dessen der genannte Montenegro gegen Verheißung einer Regierung-Subvention sich verpflichtet hat, innerhalb eines Zeitraumes von 6 Jahren jährlich 150 europäische Ackerbauer und Landarbeiter in seine in der Provinz St. Paulo belegenen Colonien Nova Louzá und Nova Colombiá einzuführen und dieselben als Lohnarbeiter anzusiedeln.
Es ist zu befürchten, dass auch für dieses neue Colonisations-Unternehmen vorzugsweise in Deutschland agitiert werden wird.
Unter Bezugnahme auf meine früheren Mitteilungen bezüglich desselben Gegenstandes ersuche ich Euer Hochwohlgeboren ergebenst, die Aufmerksamkeit der Polizei-Behörde des Kreises auf das in Rede stehende Unternehmen und auf die voraussichtlich zu erwartende Agitation brasilianischer Agenten hinzulenken und den gedachten Behörden die strengste Handhabung der bezüglichen gesetzlichen Bestimmungen zur Pflicht zu machen.
Euer Hochwohlgeboren wollen hierbei dafür Sorge tragen, dass die vorstehende Mitteilung respective (beziehungsweise) Anweisung streng sekretiert (vertraulich behandelt) werde.“
gez. Heinmann

Fortsetzung der Auswanderungs-Anträge

Jahr 1877: Küfer-Knecht Ferdinand Bornemann aus Oeventrop war (!) 2 Jahre in Amerika und „beabsichtigt, jetzt in Deutschland zu bleiben und sich naturalisieren zu lassen“, die deutsche Staatsbürgerschaft wieder anzunehmen. Motivation, Argumentation sind nicht aktenkundig. „Die Naturalisation erfolgt: Kosten 30 Mark.“
Jahr 1878: aus Amerika: Ferdinand Wiethoff aus Detroit ist z. Zt. in Meinkenbracht; s.o. 1852.

Holland, Niederlande: ein neues Auswanderer-Ziel.
Jahr 1880: nach Holland, aus Freienohl zu Verwandten: Kaufmannslehrling Wilhelm Kerstholt, Sohn des verstorbenen Holzhändlers, Gastwirts Friedrich (Fritz) Ernst Kerstholt und seiner 2. Ehefrau Amalia geb. Uhlendorf aus der Giesmecke, deren Heirat: 31.5.1856; Wilhelm Kerstholt geb. 6.2.1864 in Freienohl. - Erste Ehefrau Christine Kerstholt geb. Vogt, Heirat 23.2.1843, gest. 5.6.1855, LA 37. Alte Haus-Nr. 145, Hauptstraße.

Jahr 1881: nach Holland, aus Freienohl: Kaufmannslehrling Augustin Kerstholt, geb. 11.8.1865 in Freienohl, mit seiner Mutter Witwe Fritz Ernst Kerstholt (= Amalia geb. Uhlendorf); ausdrücklich nicht nach Amerika.

Jahr 1881, 10.9.: Schreinergeselle Wilhelm Klöckner, geb. 20.10.1862 (Ort ist nicht aktenkundig) beabsichtigt, nach Amerika auszuwandern, um sich dem Preußischen Militär-Dienst zu entziehen, er hat schon eine Karte von seinem Bruder Johann Klöckner. Mehr ist nicht aktenkundig.
Jahr 1882, 23.5.: aus Mergentheim: der katholische Vikar Josef Bause von Rumbeck, geb. 30.4.1848, Sohn des Schneiders Ferdinand Bause von Rumbeck, ist in den Württembergischen Staatsverband aufgenommen worden. Hintergründe dieses Schreibens im Amts-Schriftverkehr Freienohl sind nicht aktenkundig. Kulturkampf-Ähnliches?
Jahr 1883: nach Amerika, aus Hellefeld, Ackermann Franz Ernst Plaßmann; zu seinem Antrag zur Auswanderung: „Militär-Dienst ist geleistet, kein Einwand.“

Ende A 96, A 99: Generalakte: ohne Befund von Personen-Namen für Auswanderung.
A 102: Spezialakte, das bedeutet: mit Personen-Namen
Wohl neue Motivationen zur Auswanderung

Jahr 8.11.1883: nach Amerika, aus Grevenstein: Tagelöhner Johann Wiegenstein, geb. 13.6.1830, ledig, s.o. 1852; Verwandtschaft ist hier nicht aktenkundig.
Jahr 29.7.1884: nach Holland, aus Grevenstein: Franz Schmitz, geb. 27.12.1855, mit Ehefrau Elisa Barbette geb. Kleinfeller aus Meinkenbracht.

Jahr 29.9.1884: nach Holland, aus Freienohl: Witwe des Gastwirts Fritz Ernst Kerstholt Amalia geb. Uhlendorf mit ihrem Sohn Konrad Kerstholt, geb. 14.3.1868. S.o. 1880; Alte Haus-Nr. 83, Mittelstraße / St. Nikolaus Straße.

Jahr 30.7.1888: nach Holland aus Freienohl: Kaufmann Joseph Heinrich Kerstholt, geb. 3.9.1851, verheiratet mit Gertrud geb. Neise gnt. Linken am 27.4.1876.

Jahr 6.12.1888: nach Holland, aus Freienohl: Kaufmann Franz Kerstholt, geb. 14.3.1872, ledig, hat bereits 2 Brüder in Holland; seit 15.2.1901 zurück nach Freienohl.

Jahr 24.6.1889: nach Holland aus Freienohl: Franz Raulf „ist zur Fortsetzung seiner Studien im Institut der FF. Praedicatorum Collegium Albertinum in Venlo aufgenommen worden“. - Im Preußischen „Kulturkampf“ unter Bismarck wurden in Preußen die bedeutenden, für die katholische Kirche einflussreichen Gymnasialen Internate verboten, aufgelöst, „vertrieben“. Der Dominikanerorden, FF. (=Fratrum) Praedicatorum, gründete in Venlo ein Gymnasium mit Internat. - Mögliche Zuordnung: Heiratsregister: Heirat am 31.10.1891 Joseph Raulf, Witwer mit Margarethe Siepe, Witwe. - Einwohnerliste 1910, A 2189: Alte Haus-Nr. 233, Mittelstraße / St. Nikolaus Straße 14, Joseph Raulf, Ww. 5 männl., 1 weibl. Bewohner.

Jahr 9.4.1891: nach Amerika, aus Breitenbruch: Georg Otto Richard Ernst Seifert, geb. 19.9.1861 in Liegnitz.

Jahr 12.6.1894: nach Holland, aus Freienohl Fritz Kerstholt, geb. 2.3.1878 in Freienohl, ledig, Vater hat hier (Freienohl) eine Gastwirtschaft. - Vater: Gastwirt Johann Kerstholt mit Ehefrau Gertrud geb. Neise; Alte Haus-Nr. 83, Mittelstraße / St. Nikolaus Straße.
Jahr 15.4.1899: kein Ziel aktenkundig, aus Arnsberg: Carl Höttger, geb. 9.10.1872 in Rumbeck, seit 1874 in Arnsberg wohnhaft.

Nächste Eintragung:
Jahr 21.2.1911: aus Holland, Rückkehr nach Freienohl: Kaufmann Friedrich (Fritz) Kerstholt, geb. 2.3.1878 in Freienohl, ledig, „hat sich so lange im Ausland aufgehalten, dass hier in Deutschland seine Militär-Dienst-Pflicht entfällt, hat sich 18 Jahre in Holland aufgehalten.“ Wortgebrauch: „aufgehalten“!

In Zahlen zusammengefasst:
Die erste Zahl von 1836 – 1852, sie betrifft den Eindruck von Amtmann von Devivere; die zweite Zahl ist die Summe von 1836 – 1911:
Freienohl + Lattenberg: Amerika 7 / 13; Holland 9, Summe 21. - Grevenstein: 17 / 22. - Breitenbruch: 1 / 2. - Westenfeld: 1 / 1. - Altenhellefeld: 3 / 4. - Hellefeld: 3 / 11. - Sundern: 2 / 2. - Obersalwei: 1 / 1. - Linneper Hütten: 1 / 1. - Oeventrop: 1 / 1. - Rumbeck: 2 / 4. - Meinkenbracht: 4 / 8. - Schnellenhaus: 0 / 1. - Summe von 1836 – 1852: 42.

Mit dem Jahr 1911 wird die Geschichte von der „Auswanderung“, mitten in der Akte 102, abgebrochen, - wegen einer wohl neuen Zeit.
Gesprächsstoff für die Jetztzeit: Waren die Auswanderer Flüchtlinge?
Fragen und Antworten zu den möglichen Ursachen stehen kaum ausdrücklich in den Akten. Ganz, ganz alte Freienohler und ihre Familiengeschichten können Bescheid wissen. Für nicht so alte Freienohler folgt:

Zweites Kapitel

In der Heimat keine Zukunft!
Beweggründe zur Auswanderung im 19. Jahrhundert
aus Freienohl, aus dem Alten Amt Freienohl
nach Amerika, nach Holland

Am Horizont vor Amerikas Küste taucht ein Zweimaster auf.
„Die deutschen Flüchtlinge kommen!“
Dieser Ausruf ist selbstverständlich nicht aktenkundig.

Im regelmäßigen, offiziellen „Zeitungsbericht“ des Freienohler Amtmanns an den Landrat in Arnsberg stehen ausdrücklich, aktenkundig keine Beweggründe. Doch (1.) ganz bestimmte Rubriken der Zeitungsberichte lassen einfühlsam auf berechtigte Gründe schließen und zwar (2.)  in Verbindung mit der damals üblichen und auch zumeist notwendigen Zahl der Kinder in einer Familie, nämlich 4 bis 7 Minder. Ein 3. Grund ist, dass nur der Älteste erbberechtigt ist. Die Auswanderung nur nach Holland aufgrund (4.) einer Wehrdienst-Vermeidung - (Wehrpflicht galt bis zum 27. Lebensjahr) -  ist aktenkundig kaum nachweisbar. Aber im wirklichen Leben gab es sie. Daten lassen darauf schließen.
Vor allem die Rubriken „Landes-Kultur“ (Landwirtschaft, Viehzucht) und „Abgaben“ (Steuern) enthalten unausgesprochen Motivation zu Auswanderung. Diese Rubriken sind hier ausgewählt. Über die Zeit von 10 Jahren, von 1836 – 1846.
Kursiv Geschriebenes: wörtlich zitiert. - Der Sprachstil ist ungewohnt.

Am 9. November 1836:  
Der Landrat von Lilien in Arnsberg fordert die einzelnen Bürgermeister auf, für die Zeitungsberichte festzustellen: „welche Individuen (durchaus wert-positiv gemeint) in diesem Jahr ausgewandert sind und zwar in verschiedenen Abteilungen wie folgt: a)  Die den Auswanderungs-Consens (Einverständnis) der Königlichen Regierung nachgesucht und erhalten haben; b) die nur mit Reise-Pässe nach Amerika, Bremen, Amsterdam usw. fortgegangen sind, wo aber die Absicht, auszuwandern dringend zu vermuten ist;  c) Individuen, denen es etwa gelungen ist, ohne Reise-Pässe auszuwandern. - Die Zahl der mitgenommenen Familienglieder, wie Kinder, mithin die ganze Seelenzahl der Ausgewanderten ist dabei anzugeben. - Gleichzeitig ist auch anzuzeigen, welche und wie viele Individuen aus fremden Ländern eingewandert und als Preußische Staatsbürger registriert worden sind.“
An die Bürgermeister, den Magistrat: Neheim, Balve, Allendorf, Hellefeld, Warstein, Hirschberg, Freienohl, Oeventrop.

Am 21. Februar 1839:
Öffentliche Stimmung: Die erfolgte Einberufung der Kriegs-Reserve-Mannschaften zur Fahne hat keine weitere üble Stimmung hervorgerufen, als dass nur in beständiger Besorgnis hinsichtlich einer etwaigen Einberufung der Landwehr lebt, weil diese jedenfalls in vielen Familien eine empfindliche Störung im Gewerbebetrieb und anderer Nahrungszweige herbeiführen würde. Sonst ist die Stimmung recht gut.

Am 20. Oktober 1840:
Landes-Kultur: Das fortwährend anhaltende Regenwetter, wodurch ein großer Teil der Halm-Früchte verdorben und die Kartoffel-Ernte zurückgesetzt wird und diese wider Erwarten ungünstig ausfällt, erregen mit Grund Besorgnis für die Zukunft.  … Familien, welche sonst gewöhnlich 50 bis 80 Scheffel Kartoffeln …, bekommen jetzt kaum die Hälfte. Maße 1842: 1 Scheffel = 55 Liter (50 Scheffel = 2750 Lter; 80 Scheffel= 4400 Liter). Die Preise der Consumtibilien steigen erheblich.

Am 20. Februar 1841
Wohlstand im Allgemeinen hat zwar noch keine Veränderung erlitten, wegen Mangel an Verdienst in diesem Winter besonders für die Tagelöhner im hiesigen Bezirk und wegen der Miss-Ernte der Kartoffeln im verflossenen Herbst ist aber zu besorgen, dass bei der geringeren Klasse (= der Tagelöhner) bald eine drückende Zeit eintreten werde.

Am 20. Juni 1842
Landes-Kultur: Die anhaltendes Dürre ist den Wiesen und Feldern äußerst nachteilig; Heu-Ernte verspricht nun für wenig Lohnendes nach trockenem Wiesen-Boden.

Am 20. August 1842
Landes-Kultur: Die Roggen-Ernte ist im hiesigen Bezirk gering. Hafer und Gerste gibt es sehr wenig. Das anhaltend warme Wetter hat diese Früchte zu schnell zur Reife gebracht. Die Körner haben nicht die erforderliche Stärke und Güte erlangt. Stroh gibt es nur die Hälfte des vorigen Jahres. Der Heu-Ertrag ist gering. Und Hoffnung auf eine gute Grummet-Ernte ist nach dem ersten Schnitt nicht zeitig und gering.

Am 24. Juni 1843
Landes-Kultur: Die Preise der Halm-Früchte sind bedeutend gestiegen, man glaubt, dass das anhaltende Regenwetter die Steigung veranlasst habe.

Am 23. Oktober 1843
Schädliche Natur-Ereignisse: Durch das lange anhaltende Regenwetter ist eine Menge Sommer-Halmfrüchte im östlichen Teil des Bezirks Hellefeld, namentlich im Kirchspiel Hellefeld und in der Umgegend von Grevenstein fast ganz verdorben. Der Hafer und die Gerste, welche sich wegen des Regenwetters noch im Feld befand, ist durchgehend ausgewachsen, zum Teil schon verfault; und der größte Teil der Kartoffeln, deren Ertrag ganz ausfällt, befindet sich noch draußen. Die Bestellung der Felder hat wegen des aufhaltenden Regens auch nicht erfolgen können.- Landes-Kultur: Wie schon bemerkt fällt die Kartoffel-Ernte spärlich aus. Ein bedeutender Teil der Sommer-Halm-Frucht ist verdorben. Die Besamung hat des anhaltenden Regens wegen noch nicht erfolgen können. Alles dieses hat veranlasst, dass die Lebensmittel im Preis bedeutend steigen werden und in den höher gelegenen Teilen des Sauerlandes besonders große Mängel an Lebensmittel sich einstellen werden.

Am 22. Dezember 1843
Landes-Kultur: Von den Landleuten wird häufig Klage darüber geführt, dass die eingeernteten Kartoffeln faulen; solches wird dem anhaltenden Regen des verflossenen Sommers und Herbstes zugeschrieben.

Am 23. März 1844
Landes-Kultur: Die veränderliche nasse Witterung des laufenden Monats war besonders für die Wintersaat sehr schwierig.

Am 23. Mai 1844
Landes-Kultur: Der Roggen steht auf vielen Stellen so dünn und ist im größten Teil desselben wieder umgepflügt worden.

Am 21. März 1845
Der Boden ist während dieser ganzen Zeit in ein Schneefeld bedeckt gewesen. Das Eintreten gelinderer Witterung tut Not, wenn nicht die ärmere Volksklasse dem Elend recht preisgegeben werden soll....Landes-Kultur: Baldige gelindere Witterung ist auch für den Garten- und Ackerbau dringend zu wünschen. Die aufgegangene Saat hat in verschiedenen Gegenden dieses Bezirks mehr oder weniger schon bedeutend gelitten. So erfreulich es im verwichenen (!) Jahr wurde, um diese Zeit die Gärten schon größtenteils neu umgegraben  resp. (bzw.)  bestellt zu haben, so traurig ist es, wenn man sieht, wie jetzt alle Gärten und Felder noch mit einer dicken Schneelage bedeckt sind.

Am 25. September 1845
... die Kartoffel-Ernte im höchsten Grad ungünstig ausfallen wird, da die bekannte Fäule hier allgemein sich unter derselben befindet. Die Bevölkerung ist stets der Meinung, dass diese Krankheit die Folge der außergewöhnliche Wärme und später ungünstigen Witterung ist, was jedoch mit Gewissheit nicht behauptet werden kann. … Erbsen und hiesige Hülsenfrüchte sind gleichfalls hier fast gar nicht geraten.

Am 24. November 1845
Im August-September-Zeitungsbericht wurden schon die schlecht geratenen Kartoffeln und Halm-Früchte angemerkt. Der Eintritt eines Notstandes ließ dann den Gedanken aufkommen nach einem „Verein zum Aufkauf von Lebensmitteln“. Jetzt ist dieser Verein behufs Abwehrung eines Notstandes noch nicht zustande gekommen, dürfte aber auch nicht erforderlich erscheinen, da in den benachbarten Gegenden, namentlich im Hessischen, die Kartoffeln sehr gut gewachsen und zu haben sind.

Am 25. September 1846
Witterung: War im Lauf der Berichts-Periode merkwürdig trocken: die meisten Quellen sind versiegt und dadurch ist allenthalben ein großer Wassermangel eingetreten. Die Ruhr hatte einen so niedrigen Wasserstand, wie ihn auch die ältesten Eingesessenen hier nicht wollen gekannt haben. Eine so ungemein große Wärme hierselbst besonders im Anfang des Monats August, dass die Hitze an einigen Tagen zur Mittagszeit 28 – 30 Grad Réaumur erreicht hatte. Gewitter haben sich wenig gezeigt. … Die Kartoffel-Ernte, womit man zur Zeit stark beschäftigt (ist), scheint ebenfalls nicht so günstig wie in gewöhnlichen Jahren, jedoch bedeutend besser wie im vorigen Jahr ausfallen zu wollen. Allgemein hört man darüber Klagen, dass viele Kartoffeln wieder von der vorjährigen Krankheit befallen sind und daher nicht genossen werden können. Diesem Übelstand und weil sowohl der Roggen als die Sommer-Früchte nicht besonders geraten sein dürften, dürften so wohl  der Witterung zuzuschreiben sein,dass die Fruchtarten noch immer so sehr hoch im Preis sind.

Am 25. November 1846
Witterung: Die im vorigen Bericht erwähnte merkwürdig trockene Witterung hielt bis vor einigen Tagen an, wo Regenwetter mit Schnee vermischt eintrat, was bis zum jetzigen Tag  noch angehalten hat und die große Wassernot in etwa beendigt hat, sodass doch die Mühlen, die lange Zeit still gestanden, wieder haben in Betrieb genommen werden können und wo das in den Haushaltungen erforderliche Wasser nicht mehr so weit hat herzuholen gebraucht hat, als wie das seit Monaten hat geschehen musste.

Mit diesen 10 Jahre langen Akten-Auszügen über manche Not in Freienohl, im Alten Amt Freienohl wird diese Auswahl abgebrochen. Die „Zeitungsberichte“ bis 1897 können im Stadtarchiv Meschede in Grevenstein weiter gelesen werden: A 2164, 2165, 2177.
Einfühlsamkeit, Verständnis für Beweggründe zur Auswanderung sind gewiss überzeugend deutlich.

Heinrich Pasternak